Von Medien-Parkhäusern zu Community-Hubs
Bibliotheken haben die Chance, ihren gesellschaftlichen Auftrag neu zu definieren, findet Jasmin Leuze von der Bibliothek Zug im Kanton Zug. Hier erklärt sie, was es dafür braucht – und was Drohnen damit zu tun haben.
Bibliotheken sind längst mehr als Orte, an denen man Bücher ausleiht. Neben der nach wie vor wichtigen Medienausleihe und dem Zugang zu Informationen entwickeln sie sich zunehmend zu Räumen des Austauschs, der Begegnung und der gesellschaftlichen Teilhabe.
Die Bibliothek als Dritter Ort
Ein zentrales Fundament dieser Entwicklung ist das Konzept des „Dritten Ortes“: Orte jenseits von zuhause (erster Ort) und Arbeitsplatz (zweiter Ort), die offen, einladend und für alle zugänglich sind. Hier treffen Menschen unterschiedlichen Alters, verschiedener Herkunft und vielfältiger Interessen aufeinander. Bibliotheken sind für diese Rolle besonders prädestiniert, da sie einen niedrigschwelligen Zugang zu Wissen, Kultur und Begegnung bieten – oft konsumfrei und oft sogar kostenfrei.
Doch die Community-Arbeit in Bibliotheken geht weit über reine Aufenthaltsqualität hinaus. Es geht darum, aktiv Gemeinschaft zu gestalten und Menschen die Möglichkeit zu geben, sich einzubringen – mit ihren Ideen, ihrem Wissen oder ihrem Engagement. Entscheidend für das Gelingen ist dabei auch die Haltung der Mitarbeitenden: Offenheit, Neugier und die Bereitschaft, auf die Bedürfnisse und Potenziale der Menschen vor Ort einzugehen, prägen die Atmosphäre und machen die Bibliothek zu einem lebendigen Ort der Teilhabe. Genau hier setzt das Modell der „Community zum Ausleihen“ an.
Teilen statt Besitzen – Sharing in Bibliotheken
Bibliotheken wie die Bibliothek Zug (Stadt- und Kantonsbibliothek für den Kanton Zug) zeigen eindrucksvoll, wie vielfältig Community-Angebote gestaltet werden können. Neben der klassischen Ausleihe von Medien verleihen sie in der „Bibliothek der Dinge“ auch technische Geräte für den Alltag – von der VR-Brille bis zur Drohne. Damit verfolgen sie nicht nur das Ziel, allen Menschen einen niedrigschwelligen Zugang zu solchen Ressourcen zu ermöglichen, sondern fördern zugleich die Vermittlung von Medienkompetenz. Auch Räume stehen der Öffentlichkeit zur Verfügung: Veranstaltungsräume können von Non-Profit-Organisationen kostenlos genutzt werden. Solche Angebote schaffen Teilhabe, insbesondere für Menschen mit geringem Budget.
„Die Bibliothek versteht sich nicht länger nur als Anbieterin von Medien und Räumen, sondern als Gestalterin.“
Doch „Community zum Ausleihen“ geht noch einen Schritt weiter: Es bedeutet, Wissen, Zeit und Ideen miteinander zu teilen. In Workshops, Veranstaltungen und durch gezielte Partizipation wird die Community selbst zum Inhalt der Bibliothek. Menschen kommen zusammen, tauschen sich aus, lernen sich kennen und schaffen Neues – vor allem neue Perspektiven, die in der heutigen Gesellschaft von großer Bedeutung sind. Für die Bibliothek bedeutet das einen grundlegenden Perspektivwechsel: Sie versteht sich nicht länger nur als Anbieterin von Medien und Räumen, sondern als Gestalterin mit Menschen für Menschen.
Digitale und offene Zugänge
Auch technische Innovationen tragen dazu bei, dass Bibliotheken ihre Community-Angebote flexibel gestalten können. Open-Library-Konzepte, wie sie in Zug umgesetzt werden, ermöglichen es den Nutzerinnen und Nutzern, die Bibliothek täglich von früh bis spät eigenständig zu betreten. Die Bibliothek Zug ist so insgesamt 112 Stunden pro Woche für die Kundschaft zugänglich.
Zugangskontrolle sowie Ausleihe und Rückgabe der Medien erfolgen dabei digital – etwa über die eZug-App oder die Bibliothekskarte. Auf diese Weise wird der physische Raum noch intensiver genutzt und steht der Community länger und vor allem unkomplizierter zur Verfügung. Damit passen sich die Öffnungszeiten und Services stärker den Lebens- und Arbeitsgewohnheiten der Menschen an.
Haltung statt nur Angebot
Der Erfolg solcher Modelle hängt jedoch nicht allein von Räumen oder technischer Ausstattung ab, sondern vor allem von der Haltung der Mitarbeitenden. Offenheit, Vertrauen und die Bereitschaft, Bürgerinnen und Bürger aktiv einzubeziehen, sind entscheidend. Bibliotheken müssen sich dabei grundlegende Fragen stellen: Welche Art von Bibliothek wollen wir sein? Und wie schaffen wir echten Mehrwert für unsere Stadtgesellschaft?
Die Erfahrung zeigt zugleich: Auch kleine Schritte können viel bewirken. Ein Workshop im Team, um ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln, Kooperationen und Projekte mit anderen Institutionen oder die Bereitstellung von Räumen – all das baut Brücken und fördert Gemeinschaft. Wichtig ist, dass das gesamte Team eingebunden wird und gemeinsam ein klares Verständnis für Community-Arbeit entwickelt. Grundlage dafür bildet eine Bibliotheksstrategie mit konkreten Handlungsfeldern und Zielen, die als Leitlinie für die tägliche Arbeit und als politische Basis dient.
Zukunftsperspektive
„Community zum Ausleihen“ ist keine Frage des Ob, sondern des Wie. Gerade in Zeiten gesellschaftlicher Herausforderungen wie sozialer Spaltung, Einsamkeit oder Digitalisierung können Bibliotheken wertvolle Ankerpunkte im urbanen Leben sein. Sie ermöglichen Begegnung, fördern kulturelle Teilhabe und wirken integrativ. Bibliotheken, die sich als lebendige Community-Hubs verstehen, sichern nicht nur ihre eigene Relevanz, sondern leisten zugleich einen wichtigen demokratischen Beitrag für die Gesellschaft.
Bibliotheken sind damit weit mehr als bloße Medien-Parkhäuser. Sie sind Orte der Demokratie, der gemeinsamen Nutzung von Ressourcen und der kreativen Mitgestaltung – kurz: Orte, an denen Gemeinschaft entsteht. Die Community ist tatsächlich „ausleihbar“ – und eine nachhaltige Investition in die Zukunft